Soll Winnetou abgeschafft werden?
von Carmen Kwasny
Warum? Weil wir seit Jahrzehnten darauf hinweisen, dass stereotype Vorstellungen alles andere als harmlos sind und genau deshalb begrüßen wir die Entscheidung des Verlags.
Nein. Ich vertrete die Werte und Grundsätze unserer Organisation in der Öffentlichkeit. Ich kann nicht für die Native Americans sprechen, die hier in Deutschland leben und ich habe das auch nie behauptet. Sie haben verschiedene Meinungen zu diesen Themen und auch unterschiedliche Herangehensweisen und wir werden uns so schnell wie möglich zusammensetzen, um zu beraten, wie wir dies der Öffentlichkeit gegenüber klar stellen können. Es gibt nicht die Meinung der Native Americans, weder hier noch in den USA oder Kanada. Allein in den USA gibt es 574 anerkannte (federally recognized) indigene Nationen und Communities. Sie haben den Status von souveränen Nationen innerhalb der USA, die Verträge mit der US-Regierung haben. Der Gedanke, dass einer oder eine von uns - und damit meine ich unsere Gruppe, bestehend aus Native Americans und Europäern - für diese Nationen sprechen könnte, ist schlicht und einfach absurd. Ich selbst sehe mich als einen Brückenpfeiler. Native Americans können für sich selbst sprechen. Ich bin nicht ihr Sprachrohr und will das auch gar nicht sein. Im Internet gibt es inzwischen sehr viele Informationen aus erster Hand und ich sehe es als eine meiner Aufgaben an, dass diese Quellen auch hier bekannt werden.
Ich habe mir den Film angesehen und mal ganz abgesehen davon, dass er eine ganze Fülle an stereotypen Vorstellungen enthält, die nun an die nächste Generation weitergegeben werden, frage ich mich, warum der Film diesen Titel trägt. Ich bin selbst mit den Karl May Büchern und Winnetou-Filmen groß geworden und außer den Namen "Winnetou", "Intschu Tschuna", "Nscho-tschi" und einem Jungen, der stets "Wenn ich mich nicht irre" vor sich hin kichert, sehe ich keinerlei Verbindungen zu den Werken Karl Mays. Ich kann mit diesem Film nicht viel anfangen und er hat mich auch nicht berührt. Bei den alten Winnetou-Filmen mit Pierre Brice war das ganz anders. Viele Kindheitserinnerungen sind damit verbunden. Ich kann mich jedoch noch sehr gut daran erinnern, wie wütend ich auf Karl May war, als ich erfuhr, dass die Apache nicht in Pueblos lebten und es auch keine Kanus auf dem Rio Pecos gab. Ich hatte seinen Geschichten Glauben geschenkt und fühlte mich betrogen.
Im Teenager-Alter wurde mir klar, dass in den Werken Karl Mays die Apachen sich anders verhalten, weil die Häuptlingsfamilie den deutschen Einwanderer Klekih-petra an ihrer Seite hatte. Der Name wurde mit "Weißer Vater" übersetzt. Alle anderen Stammesnationen werden in der Regel nicht sehr positiv dargestellt. Winnetou hat dann eine Blutsbrüderschaft mit Old Shatterhand, der ebenfalls weiß ist. Vor diesem Hintergrund betrachtet ist der Rassismus-Vorwurf durchaus nachvollziehbar.
Sie haben jedoch die Bücher nicht gelesen und kennen auch nicht die brisanten Details. "Mir wurde von Deutschen sehr viel Wertschätzung entgegen gebracht." ist ein Satz, den ich im Laufe der vielen Jahre oft von Native Americans gehört habe. Doch diese Bewunderung hat einen entscheidenden Haken, denn sie schlägt bei etlichen deutschen "Fans" ins absolute Gegenteil um, sobald Native Americans nicht die gängige stereotype Vorstellung erfüllen. Dies ist erneut im Zusammenhang mit den Diskussionen über den neuen Film und die Entscheidung des Ravensburger Verlags geschehen. Ich werde noch mehr dazu schreiben, sobald ich die Zeit hatte, mich mit den Native Americans, die Interviewanfragen beantwortet haben, auszutauschen. Seit vielen Jahren hören wir immer wieder und wieder die selben Kommentare, sobald Native Americans es wagen, etwas zu kritisieren, was deutschen Bürgern lieb und teuer ist und was sie verteidigen, als ginge es um ihr Leben. Und was ist mit den Rechten der Bürger der unterschiedlichen indigenen Nationen?
Mehr als 600 geografische Stätten in den USA, die dieses Wort in ihrem Namen tragen, sollen jetzt umbenannt werden. Im Buch zum Film wird das Wort "Squaw" verwendet und schon allein das ist ein wichtiger Grund dafür, dieses Buch vom Markt zu nehmen. In einigen Kommentaren wurde darauf hingewiesen, dass die Geschichte in einer anderen Zeit spielt, in der dieses Wort sehr wohl benutzt wurde. Bei den, vom Markt genommenen Büchern, handelt es sich jedoch nicht um einen historischen Roman mit Originalzitaten aus einer anderen Zeit, sondern um ein Buch für Kinder und diese jungen Leser und Leserinnen werden dann weiterhin ein Wort verwenden, das aus der Kolonialzeit stammt und sich bis heute gehalten hat, obwohl es ein abwertender und beleidigender Begriff ist. Es gibt in der Wissenschaft verschiedene Meinungen dazu, wie dieses Wort ursprünglich entstanden ist, entscheidend ist jedoch, wie es verwendet wurde. "Squaw" war sehr oft eine Bezeichnung für indigene Frauen im Sinne von "Sexobjekt", "Hure", "Schlampe" und "leicht zu haben".