Ein großer Teil der deutschen Bevölkerung will sich nicht von den stereotypen Vorstellungen verabschieden, mit denen liebgewonnene Kindheitserinnerungen verbunden sind. Winnetou ist bei sehr vielen der Held ihrer Kindheit. Er wird so massiv verteidigt, dass man glauben könnte, es ginge dabei um das eigene Leben.
Die Medien sind sich dieser Tatsache durchaus bewusst und so wurde die Entscheidung des Ravensburger Verlags, zwei Bücher vom Markt zu nehmen, von einigen dazu benutzt, daraus die Forderung nach einem Winnetou-Verbot zu konstruieren. Dementsprechend groß war dann auch der Aufschrei innerhalb der Bevölkerung. Doch eine Frage bleibt dabei noch immer offen:
Wir hatten inzwischen endlich etwas Zeit, uns darüber auszutauschen, was hier vor sich geht - Red Haircrow, Tyrone White und ich. Sie sind beide keine Mitglieder der NAAoG, aber wir stehen schon seit Jahren in Kontakt miteinander. Weitere Gespräche werden folgen. Aber, allein das, was ich bis jetzt erfahren habe, war sehr aufschlussreich. Letztendlich hat es zu der Entscheidung geführt, dass ich nicht mehr dazu bereit bin, die sehr problematische Herangehensweise der Medien weiterhin zu unterstützen, die sich die Verteidigung Winnetous groß auf die Fahnen geschrieben haben, da sie sonst einen großen Teil ihrer Leserschaft massiv verärgern würden. Folgenden Ablauf konnten wir dabei beobachten:
Wir werden äußerst höflich um ein Interview gebeten mit Erklärungen dazu, warum gerade wir so gut dafür geeignet sind. Bis wir die Folgen dieser fingierten Debatte in Form von widerwertigen verbalen Attacken zu spüren bekamen, war ich in dem Glauben, dass dies eine sehr gute Möglichkeit wäre, eine breitere Öffentlichkeit über stereotype Vorstellungen aufklären zu können. Weit gefehlt. Inzwischen habe ich einen ganz anderen Eindruck bekommen. Es geht in erster Linie ums Geschäft, um Seitenklicks und Einschaltquoten. Je erhitzter die Gemüter, desto mehr klingelt es in der Kasse.
Nach den ersten provozierenden Artikeln kam die Kritik, dass Native Americans, also die Betroffenen selbst, mal wieder nicht zu Wort gekommen sind. Eine Kritik, die definitiv berechtigt ist und so dachte ich: "Endlich soll ein Thema auch in Deutschland gemeinsam mit Native Americans und nicht über ihre Köpfe hinweg diskutiert werden." Und ich vermittelte die Kontakte, was in Zukunft so auf die Schnelle nicht mehr möglich sein wird, denn wir werden ab sofort zu unserem eigenen Schutz Bedingungen stellen, bevor wir zu weiteren Interviews bereit sind. Wir lassen uns nicht mehr instrumentalisieren, denn in vielen Fällen ging es genau darum. Und wir werden auch den ständig zunehmenden Versuchen, uns als radikale Randgruppe darzustellen, etwas entgegensetzen. Diese Methode, Menschen als angeblich inkompetent erscheinen zu lassen, ist in Deutschland gang und gäbe. Die Native American Association of Germany ist keine "Aktivistengruppe von Indianern in Kaiserslautern, die als Angehörige der US-Army nach Deutschland kamen und sich hier für die Interessen indigener Völker und Indianer einsetzt." Dies hat der Ethnologe Christian Feest in einem Interview gegenüber "Der Standard" behauptet. Der Wandel, den unsere Organisation im Laufe der vielen Jahre durchlaufen hat, ist ganz offensichtlich von einigen nicht bemerkt worden. Eine E-Mail oder ein Anruf hätten mehr Klarheit bringen können. Unser Schwerpunkt liegt inzwischen im Bereich der Bildung, was jedoch nicht bedeutet, dass wir uns alles gefallen lassen müssen. Doch sobald wir es wagen, uns kritisch zu äußern, weil es die Umstände erfordern, eine klare Position zu vertreten, landen wir sofort in der Schublade "radikale Minderheit".
Wir hätten die Fragen anders gestellt:
"War es richtig, dass der Ravensburger Verlag die Begleitbücher zum Film „Der junge Häuptling Winnetou" vom Markt genommen hat, weil dadurch erneut stereotype Vorstellungen über indigene Völker an die nächste Generation weitergegeben werden?
Ist es richtig ein Kinderbuch vom Markt zu nehmen, in dem Kindern beigebracht wird, es sei in Ordnung eine indigene Frau als "Squaw" zu bezeichnen, obwohl in den USA jetzt mehr als 600 geografische Stätten, die dieses Wort in ihrem Namen tragen, umbenannt werden?"
In den USA und Kanada sind große Veränderungen zu beobachten. Deutschland scheint noch meilenweit von einer Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit entfernt zu sein. Erste Ansätze sind sichtbar, aber eine fingierte Forderung nach einem Winnetou-Verbot allein reicht schon aus, um einen Sturm der Entrüstung loszubrechen, der unter anderem dazu führt, dass all diejenigen, die zum Nachdenken anregen möchten, auf übelste Art und Weise beschimpft und beleidigt werden und ihre Kompetenz wird massiv in Frage gestellt.
Wir werden diese Themen noch weiter vertiefen.